Der Nebel legt sich wie ein feuchter, grauer Schleier über Venedig. Er schluckt die Geräusche und die Farben, lässt nur gedämpfte Echos und blasse Konturen zurück. Ich stehe am Ufer des Kanals, meine Finger umklammern das kühle, schmiedeeiserne Geländer einer fast leeren Terrasse. Die Laternen neben mir sind bereits erwacht, ihr Licht ist weich und golden, ein sanfter Pinselstrich gegen das verwaschene Grau des späten Nachmittags. Sie wirken wie alte Vertraute, die mir in der Stille Gesellschaft leisten.
Ein feuchter, salziger Geruch steigt vom Wasser auf, vermischt mit dem erdigen Duft der weißen und rostfarbenen Blumen in den Kästen neben mir. Ihre Blüten sind schwer von der Nässe, kleine, fast unsichtbare Tropfen hängen an ihnen wie winzige Juwelen. Ich atme tief ein und schließe für einen Moment die Augen. Die Müdigkeit eines langen Tages sitzt mir tief in den Knochen, eine schwere, aber nicht unangenehme Last.
Das monotone Tuckern eines Vaporettos durchbricht die Stille. Es gleitet wie ein Geist an mir vorbei, eine dunkle Silhouette auf dem unruhigen, graugrünen Wasser. Die Wellen, die es schlägt, klatschen leise gegen die steinernen Fundamente der Häuser. Ich frage mich, wer in diesem Boot sitzt, wohin sie fahren in dieser Stunde, in der die Stadt sich in sich selbst zurückzieht.
In der Ferne verschwimmt die Rialtobrücke, ihre Bögen sind nur noch eine Ahnung, ein geisterhafter Schatten im dichten Nebel. Sie wirkt heute so unwirklich, als wäre sie ein Tor zu einer anderen Welt, einer Welt aus Erinnerungen und Träumen. Ich bin oft allein unterwegs, eine stille Beobachterin an den Rändern des Geschehens. In diesen Momenten, wenn die Welt um mich herum verstummt, höre ich mein eigenes Herz am deutlichsten schlagen. Es ist ein ruhiger, beständiger Rhythmus, der Takt meines eigenen, leisen Lebens in dieser lauten, wunderbaren Stadt. Hier, im sanften Schein der Laternen, finde ich für einen Augenblick meinen Frieden.
