Der stille Moment

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Ich stehe hier, und die Kälte des Steins zieht langsam in meine Füße. Es ist diese späte Stunde, in der die Welt endlich zur Ruhe kommt und nur noch atmet. Vor mir liegt der See, eine riesige Fläche aus dunklem Samt, so glatt, dass er die Lichter der Uferbebauung nicht nur spiegelt, sondern fast schon konserviert. Diese goldenen, langen Streifen, die von den Fenstern des alten, ockerfarbenen Hauses drüben ins Wasser fallen – sie sind wie Pinselstriche auf nassem Lack.

Ich atme tief ein. Die Luft riecht nach feuchtem Stein und einer Spur von Salz, obwohl es Süßwasser ist. Es ist ein Geruch, der Nostalgie weckt, obwohl ich nicht genau weiß, wonach ich mich sehne. Es ist einfach die Stille, die so laut ist.

Oben, über den dunklen, scharfkantigen Silhouetten der Berge, die sich wie schlafende Riesen in den Himmel schieben, hängt der Mond. Ein kleiner, heller Punkt, der kaum Licht spendet, aber genug, um zu wissen, dass er da ist. Die Berge selbst sind tiefblau, fast schwarz, und nur die winzigen Lichter der Häuser, die sich an ihre Hänge klammern, verraten, dass dort Leben ist. Es ist, als würde ich auf eine andere Welt blicken, eine, die nur aus Licht und Schatten besteht.

Ich spüre die leichte Brise auf meiner Haut, sie ist kühl, aber nicht unangenehm. Sie flüstert über die Oberfläche des Sees und lässt die Reflexionen leicht zittern, sie verwischt die Perfektion der Linien. Das ist gut. Perfektion ist langweilig.

Ich bin eine Beobachterin, das war ich schon immer. Ich finde die Schönheit in der Art, wie das Licht aus einem einzigen Fenster die Dunkelheit durchbricht, in der Unverfrorenheit dieser kleinen, menschlichen Flammen gegen die überwältigende Masse der Natur. Ich stehe hier, ganz allein, und in diesem Moment bin ich Teil dieses Bildes. Ich bin die Stille, die den See hält. Und das ist genug.

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