Im Flüstern der Gassen

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Die Dämmerung legt sich wie ein sanfter Schleier über die Stadt und taucht den Himmel in ein verblassendes Orange, das sich weich mit dem aufziehenden Violett der Nacht vermischt. Ich stehe am Rande des Kanals, die feuchte, salzige Luft füllt meine Lungen. Es riecht nach altem Stein, nach dem leichten Moder des Wassers und dem fernen Versprechen von Regen.

Meine Finger streichen über das kühle, raue Holz eines der massiven Poller, die wie stumme Wächter am Ufer stehen. Das Pflaster unter meinen Füßen ist uneben, von Jahrhunderten glattgeschliffen und glänzt feucht im Schein der ersten Laternen. Ihr Licht ist warm und zittert auf der dunklen, fast spiegelglatten Oberfläche des Wassers, wo es mit den Reflexionen der erleuchteten Fenster in den alten Palazzi tanzt.

Ein leises Plätschern durchbricht die Stille, als eine der abgedeckten Gondeln sanft gegen die Kaimauer schaukelt. Sonst ist es still. Die lauten Stimmen des Tages sind verklungen, und die Gasse gehört nur mir und den Schatten. Mein langes Haar, ein Gewirr aus Dunkelheit und kupferroten Strähnen, fängt das letzte Licht des Tages ein und leuchtet für einen Moment auf, als wäre es aus Glut gesponnen.

Ich blicke zum Glockenturm in der Ferne, dessen Silhouette sich scharf gegen den weichen Himmel abzeichnet. Er wacht über diese Stadt der Träume und Geheimnisse. In diesem Moment fühle ich mich wie ein Teil von ihr – zeitlos, ein wenig verloren und doch genau am richtigen Ort. Eine leise Melancholie schwingt in der Luft, eine süße Schwere, die nicht traurig macht, sondern nur tief und unendlich friedlich. Ich atme aus und sehe zu, wie mein Atem als winzige Wolke in der kühlen Abendluft verschwindet. Hier, zwischen Wasser und Stein, finde ich eine Stille, die lauter spricht als jedes Wort.

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