Der Moment ist so still, dass er fast wehtut. Ich sitze hier, auf dem Ende des Holzstegs, die Füße baumeln knapp über der spiegelglatten Oberfläche des Sees. Es ist noch nicht ganz Tag, eher eine lange, tiefe Dämmerung, die alles in ein monochromes Blau taucht. Das Licht, das von irgendwo hinter dem dichten Waldsaum kommt, ist kein warmes Leuchten, sondern ein kalter, silberner Schein, der den Nebel über dem Wasser fast greifbar macht.
Ich atme tief ein. Die Luft ist feucht und riecht nach kaltem Wasser, nach nassem Holz und einem Hauch von Moos und Kiefernnadeln. Es ist der Geruch der Einsamkeit, aber es ist eine gute Einsamkeit. Eine, die nicht drückt, sondern Raum gibt.
Mein Blick ist auf die Silhouette gerichtet, die dort drüben, am äußersten Rand des Stegs, sitzt. Eine dunkle Form gegen das helle Nichts. Ich sehe ihn, aber ich sehe ihn nicht wirklich. Er ist Teil der Szenerie, ein Ankerpunkt in dieser fließenden, nebligen Welt. Seine Haltung ist in sich gekehrt, die Knie angezogen, der Kopf leicht gesenkt. Er wartet. Oder er denkt. Oder er ist einfach nur da, so wie ich.
Das einzige Geräusch ist das leise, fast unhörbare Glucksen des Wassers, das gegen die Pfähle des Stegs schlägt. Ein rhythmischer, beruhigender Puls. Ich spüre die raue Textur des Holzes unter meinen Händen, kühl und leicht feucht. Die Kälte kriecht langsam von den Füßen herauf, aber ich bewege mich nicht. Ich will diesen Moment nicht stören.
Unten, im Wasser, spiegelt sich alles: der dunkle Wald, der silberne Himmel, die Silhouette. Aber die Spiegelung ist nicht perfekt, sie ist leicht verzerrt, in sanften Wellen tanzend. Es ist, als würde der See mir sagen wollen, dass die Realität nur eine von vielen Möglichkeiten ist.
Ich bin eine Beobachterin. Ich sauge die Schönheit im Detail auf: die Art, wie der Nebel die Konturen der Bäume verschluckt, wie das Licht die feinen Wasserringe um meine Füße herum zum Glitzern bringt. Es ist ein stilles, fast melancholisches Glück. Ein Gefühl, das sagt: Alles ist vergänglich, aber genau jetzt, in dieser blauen Stunde, ist alles perfekt. Ich bin hier, und das ist genug.
