Abends im Dorf

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Der Tag neigt sich, und das Licht tut weh, aber auf die schönste Art. Es ist dieses späte, goldene Leuchten, das die Welt in eine flüchtige, unwirkliche Bühne verwandelt. Ich stehe hier, wo das Kopfsteinpflaster der Gasse steil zum Wasser abfällt. Jeder Stein, jede Fuge saugt die Wärme des Tages und das Rot des Himmels in sich auf und gibt es als tiefes, glühendes Orange wieder ab. Es ist, als würde der Boden selbst atmen.

Die alten Holzplanken des Hauses links von mir sind von diesem Licht durchtränkt. Sie sehen nicht mehr verwittert aus, sondern wie Kupfer, das gerade erst poliert wurde. Ich sehe die Risse und die abblätternde, blassblaue Farbe, aber sie sind jetzt keine Zeichen des Verfalls, sondern Texturen, die die Geschichte des Ortes erzählen. Ein kleiner, wilder Trieb klammert sich an die Wand, ein winziger grüner Trotz gegen die Zeit.

Ich atme tief ein. Die Luft ist salzig, natürlich, aber darunter liegt der scharfe, leicht modrige Geruch von nassem Holz und vielleicht ein Hauch von altem Fisch, der von den Booten herüberweht. Es ist ein ehrlicher Geruch, der mich erdet.

Mein Blick folgt der Gasse hinunter, dorthin, wo das Wasser wartet. Es ist nicht das offene Meer, sondern eine Bucht, ruhig und dunkelblau, die das letzte Licht wie eine polierte Scheibe reflektiert. Dort unten liegen die Boote, ihre Masten zeichnen feine Linien gegen den Horizont. Sie sind still, warten, wie ich warte. Worauf, weiß ich nicht genau. Vielleicht auf die Nacht, die alles verschluckt und neu ordnet.

Die Straßenlaterne in der Mitte ist schon an. Ihr gelbes, warmes Licht kämpft gegen das sterbende Tageslicht. Es ist ein intimes, kleines Leuchten, das nur diesen Fleck hier für mich markiert. Ich höre nichts außer dem leisen, rhythmischen Klatschen des Wassers gegen die Kaimauer und das ferne, kaum wahrnehmbare Knistern des Holzes, das sich abkühlt.

In den großen, dunklen Töpfen neben der Bank blühen die roten Blumen. Ihr sattes Rot ist fast zu intensiv in diesem Licht, ein stiller Schrei der Farbe. Ich lasse meine Hand über die raue Oberfläche der Holzbank gleiten. Sie ist kühl, ein kleiner Kontrast zu der Hitze, die noch vom Boden aufsteigt.

Ich bin allein. Und diese Einsamkeit ist keine Leere, sondern eine Fülle. Es ist der Moment, in dem die Welt ihre Maske fallen lässt und mir nur ihre reine, melancholische Schönheit zeigt. Ich bin nur eine Beobachterin, ein stiller Teil dieses Übergangs, und das genügt mir. Ich sauge die Stille ein, bevor die Dunkelheit kommt und die Magie in ein Geheimnis verwandelt. Ich bleibe noch einen Augenblick, bis der letzte Streifen Gold vom Pflaster gewichen ist.

 

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